53° 35' N | 006° 40' E | B 0970 |
Am 15. Februar 1879 erwartete im frühen Tageslicht die Borkumer ein bedrückender Anblick: In der Nacht war der Alte Leuchtturm von Borkum bis auf die Grundmauern vollständig ausgebrannt. Die Laterne mitsamt der großen Optik stürzte innerhalb der Turmmauern hinab und war nicht mehr zu retten. Noch am gleichen Tag wurde über den möglichst zügigen Neubau eines Seezeichens geredet, das die Schifffahrt dringend benötigte.
Glücklicherweise lagen Pläne zum Neubau eines Leuchtturms bereits in den Schubladen. Schon 1873 wurde geplant, den alten Leuchtturm zu erhöhen und mit einer Optik zu versehen, doch war der Turm zu niedrig und das Holzgebälk nicht tragfähig genug. Geldprobleme ließen das Neubauvorhaben immer wieder verzögern, doch nun konnte nicht länger gewartet werden: Schon am 21. Februar erfolgte die Ausschreibung des Bauvorhabens.
Anfang März 1879 wurden die Bauarbeiten an den Bauunternehmer Schumacher aus Leer übertragen, der bereits fünf Jahre zuvor für den Bau des Leuchtturms von Norderney gezeichnet hatte. Da die Insel noch keinerlei Infrastruktur für Transporte von Baumaterialien besaß, wurde in den folgenden Wochen eine Pferdebahn von der Wattseite bis an die neue Baustelle errichtet, die die Keimzelle der heutigen Borkumer Kleinbahn wurde (siehe Geschichte der Borkumer Kleinbahn.
Bereits am 1. Mai 1879 erfolgte die Grundsteinlegung für den Neuen Turm, für den ein Standort unmittelbar neben der »mittleren Bake« nahe des Herrenbadestrandes ausgewählt wurde. Der Turm wurde als runder, sich nach oben leicht verjüngendes Bauwerk aus rotbraunem Klinkermauerwerk beschrieben, das auf einem rund 15 m hohen, achteckigen Sockel sitzt. Die Gesamthöhe wird mit 60,2 m angegeben. In der Mitte des Turmschachts wurde ein Gewichtsschacht für den Uhrwerksantrieb gelassen, um den sich die Wendeltreppe mit 315 Stufen windet. Der Zeitplan war sehr eng, aber schon im Juli 1879 sollen zwei Drittel des Turms errichtet worden sein. Am 19. September d.J. war der Rohbau fertig, am Folgetag fand das Richtfest statt.
Nach einem halben Jahr, am 1. November 1879, galt der Leuchtturm als fertiggestellt. Die Optik 1. Ordnung wurde aus Berlin von der Firma L. A. Veitmeyer bezogen und kostete 58.239 Mark, die Gesamtkosten betrugen 263.203 Mark. An den Kosten beteiligten sich die Niederlande mit einem Drittel. Das Petroleumlicht erstrahlte das erste Mal am 15. November vom Turm und soll bereits 21 Seemeilen weit getragen worden sein.
Hauptaufgabe des Leuchtturms war die des Seefeuers, das den Schiffen beim Passieren der ostfriesischen Küste einen Orientierungspunkt liefern sollte. Für die äußerst anspruchsvolle Einfahrt in die Ems war das Feuer aber nicht sonderlich nutzbringend, weshalb zwischen 1888 und 1891 sieben weitere Leuchtfeuer zwischen Borkum und Emden (u.a. der Elektrische Leuchtturm auf Borkum, entstanden. Dieser Turm zeigte jeweils ein Leitfeuer für die beiden Emszufahrten Westerems und Hubertgat, das die Schiffe nah an die Insel Borkum heranführte, um dann auf das Leitfeuer des Leitfeuers Campen überzugehen. Damit dieser Kurswechselpunkt nicht verpasst wurde, sollte eine zusätzliche Quermarke gezeigt werden, die man 1891 in einem Fenster des Neuen Turms 17 m unter dem Seefeuer einrichtete. Das neue Quermarkenfeuer Westerems hatte demnach einen weißen und roten Sektor und zeigte ein festes Licht bis zu 7 Seemeilen weit. 1901 und 1910 wurde das Licht leicht verändert.
Im Oktober 1907 wurde beschlossen, die Kennung des Seefeuers zu ändern, wobei das Uhrwerk sehr viel schneller laufen sollte. Auch an der Optik wurden Veränderungen angebracht, die Goslarer Firma Weule lieferte neue dioptrische Ringe. Auch die Lichtquelle wurde technisch auf den neuesten Stand gebracht.
1925 wurde weiter modernisiert und elektrisches Licht in Form einer großen Glühlampe eingebaut. Auch das Quermarkenfeuer wurde auf elektrisches Licht umgestellt, und auch das Uhrwerk des Seefeuers durch einen Elektromotor ersetzt. 1936 wurde die Kennung weiter verändert und das bislang als »Festfeuer mit zwei Blitzen« charakterisierte Licht auf die Blitze reduziert, der Festfeueranteil also herausgenommen. 1936 erhielt die Quermarke eine größere Optik und als Lichtquelle Scheinwerferlampen. Den folgenden Zweiten Weltkrieg überstand der Turm weitgehend unbeschädigt.
Um 1961 legte das WSA Emden das Quermarkenfeuer still und richtete statt dessen ein weiteres Leitfeuer für die Bezeichnung der Westerems und des Hubertgats an, das parallel zum Feuer im Elektrischen Leuchtturm arbeitete. Dafür konnte die vorhandene Optik weiterverwendet werden, die Warnsektoren sollten nun aber durch Otterblenden erzeugt werden. Da die Blenden aber einen gewissen Abstand zur Optik haben mussten, wurde für das Leitfeuer ein eigener neuer Erker angebaut, der den Beinamen »Blumenfenster« erhielt. Wegen Verlagerungen der Fahrwasser wurden die beiden Leitfeuer bis 1982 gelöscht. Schon 1976 wurde die Optik mitsamt der Otterblenden gegen ein Präzisionssektorenfeuer ausgetauscht.
Seit 1978 wird das Leuchtfeuer durch die Radarzentrale Knock ferngesteuert und beobachtet.
1989 wurde im »Blumenzimmer« erneut ein Feuer eingerichtet, nun wieder ein Quermarkenfeuer für den Kurswechsel zwischen Westerems und dem Randzelgat. Bei der großen Sanierung des Leuchtturms im Jahre 2003 wurde der Erker wieder abgebaut, das Quermerkenfeuer bleibt aber nach wie vor bestehen und strahlt aus einem Turmfenster heraus.
Der Neue Leuchtturm von Borkum kann normalerweise in der Saison von 10.00 - 11.30 Uhr und 15.00 - 16.30 Uhr besichtigt und bestiegen werden. Fotomöglichkeiten bestehen nur eingeschränkt, da die Galerie durch einen engmaschigen »Käfig« eingeschlossen ist.
Literatur zum Thema bieten die Bücher von Gregor Ulsamer: